Dr. Gerhard Glüher - Flaggen
In den späten 50er Jahre malte der Amerikaner Jasper Johns die Flagge seines Heimatlandes in diversen Variationen und provozierte die Frage nach der Repräsentationsmöglichkeit von Bildern überhaupt.
Die inzwischen ebenso legendäre wie historische Frage “Is it a flag or is it a painting?“ zielt letztlich auf die Identität des Bildes. In den Flaggenbildern sind Bildgegenstand und Bild deckungsgleich geworden.
Johns thematisierte in den Flaggenbildern die Kluft zwischen Zeichen und Objekt, er führt die Widersprüchlichkeit von Kunst und Leben vor. Mia Unverzagt wechselt das Medium und benutzt die Fotografie. Vor fotografischen Bildern haben bereits so berühmte Philosophen wie Roland Barthes kläglich versagt mit der Behauptung, dass Fotos bereits das Repräsentierte sind. Dass dies beileibe nicht so ist, führt die Künstlerin hier in hintergründiger und amüsanter Weise vor. Fotografische Bilder haben meistens eine glatte, technische Papier- (bzw. Plastik) Oberfläche, die dem Blick keinen Widerstand bietet. Wir dringen visuell in das Bild ein und treffen dort auf wiedererkennbare Gegenstände, ohne dass wir das Medium selbst bemerkt haben.
Mia Unverzagt bietet uns wenig poetische Spüllappen als Objekte der Neugierde an, deren nicht verstandene mondrian’sche Linienkomposition und brachiale bauhäuslerische Farbwahl uns als feinsinnige Ästheten angewidert abwenden lässt. Doch plötzlich bemerken wir die Verdoppelung der Oberfläche und der Lappen verschmilzt mit der Resopalplatte, auf der er liegt. Das Tuch wird zum Bild und das Bild selbst ist auch ein Tuch. Somit stellt das Bild nichts dar, außer sich selbst und verweist dennoch auf eine Welt außerhalb seiner selbst. Dies ist sehr gut daran zu beobachten, dass die ehemals realen Faltungen und Knicke der Küchentücher in den Fotografien zum Schein und zur Täuschung werden, wogegen die harte und glatte Arbeitsplatte sich in ein real geknicktes und unebenes Foto verwandelt. Jasper Johns Frage stellt sich erneut: “Ist es ein Objekt, oder ist es eine Fotografie?“
Gerhard Glüher